Vom Piraten zur Ikone

Jeffrey Young und William L. Simon:

Steve Jobs und die Geschichte
eines außergewöhnlichen Unternehmens.

Scherz Verlag, Frankfurt am Main 2006
456 Seiten, 19,90 EUR
ISBN 3-502-15052-4

Der Macintosh-Besitzer an sich ist gelegentlich schon ein etwas obskures Wesen. Brav wartet er auf Neuigkeiten seiner Lieblingsfirma, kauft sich selbstverständlich - sofern es der Geldbeutel erlaubt - immer das neueste und schönste Gerät, verteidigt dieses, als wäre es der heilige Gral und kann natürlich lückenlos alle Modelle und Codenamen seines Mac-Lebenslaufes herunterbeten. Und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wird er sich auch dieses Buch zulegen, schon aus dem Grund, zu erfahren, wieso es auf Anweisung des Portraitierten höchtspersönlich nicht beim Händler um die Ecke verkauft werden wird.

Die Geschichte des Apple-Gründers Steve Jobs, die Jeffrey Young und William L. Simon in »Steve Jobs und die Geschichte eines außergewöhnlichen Unternehmens« darstellen, erscheint wie von Hollywood erdacht, als der klassische amerikanische Traum. Ein Waisenjunge gründet eine Firma in der Garage seiner Adoptiveltern, der legendäre Apple II-Computer wird zum Verkaufsrenner und der Junge selbst ist mit nur 24 Jahren Millionär. Der Macintosh, die nächste größere Entwicklung, die unter seiner Federführung entsteht, wird ebenfalls erfolgreich. Jobs aber wird 1985 von seiner eigenen Firma entlassen, steigt zwölf Jahre später erneut ein und bringt Apple ein weiteres Mal auf Erfolgskurs. So lautet zumindest die offizielle (Kurz-)Variante.

Dass Jobs alles andere als ein bequemer Chef ist, der Produkte, die nicht von ihm selbst gefördert wurden, gerne mal mit dem lapidaren Satz »Not invented here« einstellt und auch sonst eine ziemlich sperrige Persönlichkeit ist, das hatte man bislang schon des öfteren gehört. So manche der besten Ingenieure bei Apple kehrten der Firma frustriert und entnervt den Rücken und schworen, nie wieder für Jobs zu arbeiten. Und in der - zumindest teilweisen - Entzauberung des »iCEO« liegt auch einer der Pluspunkte dieser Biografie. Der Visionär mit zeitweise genialischen Zügen, eine Ikone des Silicon Valley, tritt an gegen den unberechenbaren Egomanen, der nur seinen eigenen Weg für den einzig richtigen hält.  

Detailliert und mit allerlei Hintergrundwissen und -informationen versehen zeichnen Young und Simon ein differenziertes Bild von Jobs, das weder übermäßig beschönigt noch verdammt. Dafür haben die beiden Autoren zahlreiche Interviews mit Freunden, Feinden und sonstigen Weggefährten geführt und zahlreiche Artikel und Bücher ausgewertet, wie das umfangreiche Quellen- und Personenverzeichnis im Anhang beweist. Nebenbei liefert das Buch auf unterhaltsame Weise eine Geschichte der drei Firmen, die von Steve Jobs gegründet bzw. geleitet werden: Apple, NeXT und Pixar, die überaus erfolgreiche Produzentin von Kinoschlagern wie »Monster AG«, »Findet Nemo« und »Die Unglaublichen«. Ein Epilog ergänzt darüber hinaus die aktuellen Ereignisse, die in der amerikanischen Ausgabe von 2005 noch fehlten.

Und so kann man getrost behaupten, Apple, die Person Jobs und seinen märchenhaften Aufstieg nach der Lektüre besser kennengelernt zu haben, Stoff bieten die knapp 460 Seiten dafür allemal. Doch in dieser Fülle liegt leider auch ein Manko des Buches. Allzu küchenpsychologisch, oft sentimental und verliebt ins Anekdotische präsentieren sich die Autoren ein ums andere Mal. Man muss nun wirklich nicht wissen, dass der Multimillionär Jobs eine europäische Waschmaschine nebst Trockner gekauft hat, da diese wesentlich weniger Energie verbrauchen. Oder welche Speisen der Hausherr Gästen gerne zum Abendessen serviert ...

Auch setzte der Scherz Verlag das Ganze recht lieblos um, zahlreiche Fehler in Rechtschreibung und Zeichensetzung zeugen nicht gerade von einem sorgfältigen Lektorat. Den unhandlichen und gewöhnlichen Titel der deutschen Ausgabe hätte man sich ebenfalls sparen können, war doch der Originaltitel »iCon« eine wesentlich bessere ironisch-treffende Anspielung.

Sei's drum, man hat als geneigter Macintosh-Besitzer mehr erfahren, kann beim nächsten Treffen unter Macianern einige Anekdötchen zum besten geben und wird auch weiterhin der Firma mit dem »menschlichen Computer« die Treue halten, trotz oder gerade wegen Steve Jobs.

André Schwarz