Was Sie schon immer über Schlitz wissen wollten...
Florian Illies: Ortsgespräch
Karl Blessing Verlag, München 2006
206 Seiten, 16,95 EUR
ISBN 3-89667-262-2
Florian Illies, Ex-FAZ-Redakteur und Chronist der »Generation Golf« ist in der letzten Zeit doch einigermaßen in der Versenkung verschwunden, sein Auftritt bei Harald Schmidt zu Beginn des Jahres blieb auch nur durch seine schon dreiste Selbstdarstellung im Gedächtnis.
Die »Generation Golf« war noch eine witzige, lesenswerte Bestandsaufnahme ebenjener durch Kohl'sche Ebenen gestolperten und auf die Berliner Republik hoffenden Jahrgänge zwischen 1965 und 1975, das zweite Buch eine oft angenehm bösartige »Anleitung zum Unschuldigsein«, die aber auch gewisse Schwächen nicht verbergen konnte. Mit der Fortsetzung seines Erstlings, »Generation Golf Zwei« wechselte Illies dann zum Blessing Verlag und der Leser fragte sich schon nach wenigen Seiten, ob man denn überhaupt eine Fortsetzung, und wenn ja, warum denn diese des Bestsellers brauchte. Nach all den Befindlichkeitsbeschreibungen diverser Generationen der letzten Jahre wirkt die zweite Baureihe ausgebrannt und eher uninteressant. Nun also das »Ortsgespräch«. Der Gedanke, sich über die Heimat und den manifesten Lokalpatriotismus auszulassen, erscheint gar nicht so abwegig, in gewisser Weise gar charmant. Und einige Anekdoten und Beobachtungen Illies' sind auch ungemein kurzweilig und spaßig. Doch mit dem Fortschreiten des Buches bemerkt man eine gewisse Ermüdung. Die Handlung, die Argumentation, oder wie auch immer man das hier nennen mag, voranzutreiben, das ist Illies' Stärke nicht. Das Buch begnügt sich leider über weite Strecken mit der bloßen Aneinanderreihung von Anekdötchen. Eine Reflexion der Kategorie Heimat findet nicht statt, dies hätte man zwar nicht unbedingt erwartet, aber auch ein Erklären oder Andeuten sucht man vergebens. Dabei gäbe es genügend Ansatzpunkte, den Lokalpatriotismus und die Sehnsucht nach Heimat des in der Großstadt lebenden und arbeitenden Ex-Landbewohners als solchem zu deuten und zu hinterfragen. Illies versucht es, es bleibt aber in Ansätzen und platten Gemeinplätzen stecken. Oder schaffen Sie es noch, mit Smalltalk über die korrekte Bezeichnung des Apfelrestes, dreistellige Telefonnummern oder mit Geschichten über die Schneeräumgewohnheiten des Nachbarn Ihren Gesprächspartner zu fesseln?
Letztlich ist also der Titel des Buches ziemlich geschickt gewählt: »Ortsgespräch« ist es auf jeden Fall, der Nicht-Schlitzer im Rest der Republik fragt sich allerdings, was das Ganze soll. Mal sehen, ob Illies demnächst eine Fortsetzung zusammenbastelt und wie diese dann heißt.André Schwarz
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