Arbeitend an der leisen Ordnung der Dinge

Robert Gernhardt:

Die K-Gedichte.

Gedicht-Band, 102 Seiten, S. Fischer Verlag Frankfurt am Main, ISBN 3-10-02550-0

 

 

Bereits in seinem Buch »Im Glück und anderswo« und in seinem Zyklus »Herz in Not« gab es – ungewohnt für den Gernhardt-Leser – auch zunehmend ernstere Töne, die sich allerdings harmonisch zu den heiteren Seiten des Lebens gesellten. Beim ersten Blick in das neueste Werk ist man zunächst wenig gewillt, diese Mischung auch in »Die K-Gedichte« zu vermuten. Unter der Überschrift »Diagnose Krebs oder Alles wird gut« macht Gernhardt dem Leser klar, worum es geht: Er ist an Krebs erkrankt und er begleitet seine Krankheit mit Gedichten.

Fast befürchtet man eine mit den Händen zu greifende Betroffenheit, ein Irrlichtern zwischen pathetischem Wehklagen und eitlem Selbstmitleid, doch Robert Gernhardt zeigt sich auch hier als Meister seines Faches. Geschickt umschifft er die Klippen und gibt den Gedichten einen mal leise und leicht, mal trotzig daherkommenden lebensbejahenden Ton. Man merkt ihm und den Gedichten an, dass er trotz der Rückschläge nie die Gewissheit verliert, dass er es schaffen wird. » ,Ich habe Krebs.',Ich hatte Krebs.'/Dazwischen erstreckt sich ein Meer./Er hatte ihn. Ich habe ihn./Ihm schwimm ich klamm hinterher.«, so beschreibt er seine zuerst vage Hoffnung und entgegnet der Krankheit schließlich selbstironisch und kämpferisch in »Nicht mit mir«: »Mich gibt es doch nur einmal/ Mich kann man doch nicht abservieren/ Mich will man halten, nicht verliern/ Und – Teufel auch! – begraben.// Ich bin bei Gott ein Einzelstück/ So'n Stück gibt man doch nicht zurück/ Das hebt man auf und preist sein Glück:/ Wie schön, dass wir dich haben!«

So begleitet man den Dichter in fünfzig Gedichten von der Diagnose über die Chemotherapie (»Auf denn, Chemie! Heut heißt es: Ran/ … /Packt Mann den Krebs? Packt Krebs den Mann?/ Krebskrieger fängt sein Tagwerk an.«) bis hin zur aktuellen »Lagebeurteilung«: »Wollte immer schnell/ abtreten / Bin wohl bestimmt zum/ Weilen:/ Wie soll denn den,/ der so langsam/ ver geht ,/ jemals das Ende/ er eilen«. Es ist, als wolle Robert Gernhardt dem archaischen Wachstum der Krankheit die Ordnung des Gedichtes entgegenhalten, strenge, kontrollierte Form gegen wuchernde Zellen. Und das Spiel und den Umgang mit den Formen beherrscht er wie kaum ein zweiter. Ist das Schreiben von Gedichten in einem Großteil von Gernhardts Werk ein lustvolles Spiel mit den Möglichkeiten der Lyrik, man denke nur an sein »In Zungen reden«, so dient das Schreiben hier als Selbstmotivation und -therapie. Zwar auf eine andere Art und Weise wie 1996 »Herz in Not« entstanden, wie Gernhardt in seinem lesenswerten dritten, als Nachwort fungierenden Kapitel »Kunst als Küchenmeister« zugibt, letztendlich aber auch hier hilfreich und mit positivem Ende. Stimmig daher auch das – zunächst befremdlich wirkende – Motto des ersten Kapitels »Krankheit als Schangse«.

Der Mittelteil des Buches allerdings, betitelt »Krieg als Shwindle«, wirkt da etwas deplaziert, geht es in den sieben Sonetten um Amerika und den Irak-Krieg. Nicht nur, dass der Kontext nicht recht passen mag, auch die Gedichte entbehren einer gewissen Besonderheit. Entstanden als eine Auftragsarbeit für die ARD-Sendung »Druckfrisch« sind sie zwar handwerklich von gewohnt hoher Qualität, wiederholen aber allzu Bekanntes und sind leider nicht mehr als eine Pflichtübung, auf die man auch hätte verzichten können. Ein wunderbares Ende hat Gernhardt aber auf jeden Fall geliefert, schließen die »K-Gedichte« doch mit einer heiteren »Küchenszene«: »Liebste, reich die Käsereibe,/ auf daß ich den Käse reibe./ Liebling, schau: Ich reibe Käse/ Was das wird, Schatz? Reibekäse!«

André Schwarz

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