Im Banne der »Brötchentaste«

Duden. Band 1: Die deutsche Rechtschreibung.

24. Auflage 2006.

Dudenverlag, Mannheim 2006
1216 Seiten, 20 EUR
ISBN 3-411-04014-9

Duden. Band 5: Das Fremdwörterbuch.

8. Auflage 2006.

Dudenverlag, Mannheim 2005
1104 Seiten, 21,95 EUR
ISBN 3-411-04058-0

 

Über Sinn und vor allem Unsinn der Rechtschreibreform zu diskutieren, ist mittlerweile schon recht müßig und erstaunlicherweise auch kein Thema mehr bei geselligen Abenden unter Germanisten. Obwohl jene, soweit sie zumindest der Hochschulfraktion dieser Spezies angehören, diese zumeist ablehnen. Schwierig scheint es zumal auch, in den ganzen Wirren um die Reform, die Reform der Reform, deren Reform und deren teilweisen Rücknahme mit Bestimmtheit sagen zu können, welche Reformstufe denn momentan gerade en vogue ist. Abhilfe verspricht dem geplagten Schreiber mit Willen zur richtigen Schreibweise der neue Duden in Form seiner 24. Auflage. Besser, genauer, bunter und schöner soll er geworden sein, na, dann blättert man doch einmal rein. Der Mut zur Farbe fällt bereits zu Beginn auf, die Regeln sind bereits vierfarbig, ob das der besseren Übersichtlichkeit und Verständlichkeit dient oder nur ästhetische Verbesserungen mit sich bringt, mag jeder selbst entscheiden. Schön, aber auch bewährt und hilfreich sind auf jeden Fall die Beispiele zu Zweifelsfällen und Stolpersteinen, meist ist damit schon Abhilfe bei vielen Fragen geleistet. Ihre segensreiche Wirkung entfalten soll die Farbe dann im Hauptteil, denn die Duden-Redaktion unterlegt bei Worten, bei denen die Rechtschreibung Varianten vorsieht, die von ihnen bevorzugte Variante mit gelber Farbe, bei der Wahl zwischen Boy-Scout und Boyscout etwa entscheidet sich die Redaktion für Letzteres. Dienen soll das alles denjenigen, die »ohne großen Aufwand in ihren Texten einheitlich schreiben möchten«. Wäre das denn nicht so, wenn man sich für die andere Variante entscheiden würde? Sei es drum, ein Problem tut sich hier dennoch auf: die Entscheidung für eine   bestimmte Variante ist gelegentlich nicht ganz nachvollziehbar und mutet darüber hinaus in manchen Fällen nicht gerade konsequent an. Warum soll man denn »freibekommen« dem »frei bekommen« vorziehen, ist dagegen die »Metall verarbeitende« Industrie besser als die »metallverarbeitende« Wirtschaft? Man weiß es nicht, vielleicht hätte man seinen Sick aufmerksamer lesen sollen. Lobenswert ist dagegen die Eindämmung der elenden Bindestrichmanie, die Empfehlung für »Messstab« (abgesehen von dem immer noch recht gewöhnungsbedürftigen Dreifach-»S«) oder die »Methadontherapie« gegen den »Mess-Stab« und die »Methadon-Therapie« ist zweifelsohne zustimmungsfähig. Die meiste Kritik musste der Duden für seine Abweichungen von der amtlich festgelegten Schreibweise einstecken, diese genauer zu untersuchen, würde den Rahmen sicherlich sprengen, unproblematisch sind sie allerdings in einigen Fällen durchaus   nicht.

Eher amüsant und höchstens fraglich sind hingegen die Neuaufnahmen in den Duden. Die »Bundespolizei«, das »Elterngeld« und der »Plasmafernseher« würde kaum einer ablehnen, die vom »Heuschreckenkapitalismus« verängstigte, »talentfreie« »Fallmanagerin« würde zitternd zum »Lifestylemagazin« greifen und damit ihren »Wohlfühlfaktor« erhöhen. Alles noch ganz brauchbar, aber was zum Teufel sucht denn die durch die Mühle der political correctness gedrehte Vokabel »afrodeutsch«, oder der grenzdebile, latent exhibitionistische »Goleo« im Lexikon?

Bei den Neuaufnahmen kann man auch lernen, denn wer kann erklären, wer oder was ein »Yngling« ist? Das weiß nicht jeder ohne maritime Erfahrug, es steht aber glücklicherweise dahinter. Für Abhilfe   bei dieser Fragen sorgt aber auch der fünfte Band der Duden-Reihe, der Fremdwörter-Duden. Siehe da, man findet dort das ominöse »schlanke, offene Kielboot«. Die aktuelle achte Auflage des Fremdwörter-Duden bietet bewährte und kompetente Hilfe in den allermeisten Fragen. Varianten und Zweifelsfälle in der neuen bzw. alten Rechtschreibung sind auch hier hervorgehoben, in diesem Falle aber ohne Empfehlung der Redaktion. Interessant und anregend sind aber die in das Verzeichnis der Wörter integrierten Kästchen zu Tendenzen des Wortgebrauches im Wandel der Zeiten. Kontroverse Diskussionsansätze bietet der 55.000 Stichwörter umfassende fünfte Band des Duden im Vergleich zum ersten kaum, weniger unentbehrlich ist er aber keinesfalls.

André Schwarz

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